Von Dr. Björn Kupczyk, LL.M.
Vom Auftragnehmer geleisteten Sicherheiten dürfen nur für den im Rahmen der Sicherungsabrede vereinbarten Zweck in Anspruch genommen werden. Haben sich die Bauvertragsparteien auf eine Sicherheit für Mängelansprüche bzw. eine Gewährleistungssicherheit verständigt, sind hiervon grundsätzlich die Mängelansprüche des Auftraggebers, die nach der Abnahme entstehen, umfasst. Ansprüche des Auftraggebers, die im Rahmen des Vertragserfüllungsstadiums vor Abnahme entstanden sind, sind dagegen nicht von der Gewährleistungssicherheit abgedeckt. Sofern in der Sicherungsabrede keine anderslautenden Regelungen getroffen werden, sind Überzahlungsansprüche des Auftraggebers und Ansprüche aus dem AEntG und dem SGB IV ebenfalls nicht erfasst. Denn derartige Ansprüche spielen im Rahmen von Mängelansprüchen keine Rolle.
Sicherheitsabreden hinsichtlich Sicherheitsleistungen für Mängelansprüche erfassen vor diesem Hintergrund die Mängelansprüche des Auftraggebers gemäß § 634 BGB und bei einem Bauvertrag unter Einbeziehung der VOB/B die Mängelansprüche aus § 13 VOB/B. Der Vorschussanspruch für voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten ist hiervon ebenfalls umfasst[1]. Schließlich ist der Vorschussanspruch zur Erfüllung von Mängelansprüchen bestimmt und es ist gerade dessen Zweck, dem Auftraggeber die Aufwendung eigener Mittel zur Nachbesserung zu ersparen. Mit der Entstehung des Vorschussanspruchs tritt dann grundsätzlich der Sicherungsfall ein.
Ansprüche des Auftraggebers auf restliche Fertigstellung der vom Auftragnehmer nach Abnahme noch zu erbringenden Leistungen fallen ebenfalls unter Gewährleistungssicherheiten. Insoweit handelt es sich schließlich um nach Abnahme noch weiter bestehende Ansprüche des Auftraggebers. Auch wenn es sich hierbei um „unechte“ Gewährleistungsansprüche handelt, dient die Sicherheit für Mängelansprüche gerade dem Zweck, dass das Werk vom Auftragnehmer vollständig und mangelfrei ausgeführt wird[2].
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Auftraggeber Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks geltend machen[3]. Vor Abnahme können Mängelansprüche dann bestehen, wenn der Auftraggeber nicht mehr die Nacherfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Für diesen von der Rechtsprechung angenommenen Ausnahmefall greift dann folgerichtig auch eine Sicherheit für Mängelansprüche. Vor Abnahme deckt eine Gewährleistungssicherheit Mängelansprüche des Auftraggebers allerdings grundsätzlich nicht ab.
Ansprüche des Auftraggebers wegen der Verletzung von Nebenpflichten seitens des Auftragnehmers sind jedenfalls dann von einer Sicherheit für Mängelansprüche umfasst, soweit sie in einem engen Zusammenhang mit Mängeln stehen, bspw. wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten.
Von einer Sicherheit für Mängelansprüche
ist allerdings nicht der „Druckzuschlag“ gemäß § 641 Abs. 3 BGB umfasst. Denn
der Druckzuschlag übersteigt das Erfüllungsinteresse und dient lediglich dem
Zweck, den Auftragnehmer zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung
anzuhalten. Ohne eine ausdrückliche Vereinbarung im Rahmen der Sicherungsabrede
sind Regressansprüche des Auftraggebers aus einer Inanspruchnahme gemäß § 14 AEntG
und/oder § 28e SGB IV nicht erfasst. Gleiches gilt für Ansprüche auf Zahlung
einer Vertragsstrafe. Vorerwähnte Ansprüche sind schließlich keine Mängelansprüche
im eigentlichen Sinne.
[1] BGH, NJW 1984, 2456.
[2] Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1987, 686; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1393.
[3] BGH, NJW 2017, 1604.